Steffi Hartel Steffi Hartels kleinformatige Bilder haben alle dasselbe Format, alle zeigen vertikale Farbstreifen von manchmal gleicher, manchmal unterschiedlicher Breite, manchmal leuchtend, manchmal abgemischt, manchmal in regelmäßigem, manchmal in unregelmäßigem Abstand voneinander – und fast immer sind zwei oder mehrere Streifen Blattgold dazwischen. Eine Serie. Die Anordnung aufeinander folgender Streifen legt die Vorstellung nahe, sie könnten sich horizontal oder vertikal über den Bildrand hinaus verlängern und das Bild stelle aus dieser Unendlichkeit einen Ausschnitt dar. Je nach Farbzusammenstellung entsteht eine eigene Atmosphäre, norwegisch, maghrebinisch, Rokoko, New York; oder ein Klang, dur oder moll. Welche Vorstellungen und Gefühle können Farben hervorbringen? Hartel (geb. 1956) steht in der Tradition der amerikanischen Farbfeldmalerei, welche die Wirkungen der Farbe untersuchte. Streifenbilder malten unter anderen Fragestellungen auch Frank Stella, Gene Davis (1920–1985) Daniel Buren und Bridget Riley. Jedoch akzentuiert Hartel die Farbwahrnehmung durch die Goldstreifen in besonderer Weise: je nach Lichteinfall und Blickwinkel des Betrachters blitzen sie auf, treten aus der Bildfläche hervor und treten dann, wenn dieser sich bewegt, zwischen die Farben zurück, um nun selber – grünlich, rötlich, gelblich werdend – als Farbe zu fungieren. Es ist das Licht, das mitmalt – ein Aspekt der Minimal Art. Die Goldstreifen nehmen auch die Abstrahlung der Nachbarfarben auf, so dass zwei Goldstreifen verschieden getönt sind. Die Goldstreifen reagieren auf den Betrachter, indem sie die Färbung z. B. seines Pullovers ins Bild mischen. Verglichen mit Michelangelo Pistoletto, der Spiegel bemalt und zum Teil so freilässt, dass der Betrachter und der Außenraum in das Bild optisch hineingezogen werden, findet bei Hartel eine eher stille Interaktion statt. Doch die Goldstreifen rufen auch Assoziationen hervor – neben der Einbeziehung des Realraums ein weiterer Alltagsbezug. Gold diente den sienesischen Malern um 1300 (Duccio, Simone Martini, Lorenzetti) zur Darstellung des göttlichen Lichts für den Hintergrund der Heiligenlegenden. Die Erleuchteten tragen einen goldenen Heiligenschein. Gold als göttliches Licht bedeutet auch Kostbarkeit und Macht. Durch den Goldrahmen, der das Bild mit einer Aureole umgibt, wird es bis zur Unzugänglichkeit entrückt. Schließlich diente Gold der Prachtentfaltung von Kirche und weltlicher Obrigkeit. Solche naheliegenden Vorstellungen lassen Hartels Bilder distanziert erscheinen und verleihen ihrer Malerei einen Hauch der Aura, die einst das Göttliche umgab. Die kleinen Bilder wirken konzentriert und trotz ihres kleinen Formats feierlich und in den Farben köstlich. Die Resultate eines lang angelegten Experiments sind zweifellos von einer delikaten Schönheit. Burkhard Brunn



  1956 in Mayen geboren, lebt in Frankfurt am Main / 1985–90 Studium an der Städelschule, Frankfurt/M. / 1992 Jahreskunstpreis des Frankfurter Verein für Künstlerhilfe e.V. / 1995 Preisträgerin des Kunst-am-Bau Wettbewerb für das Behördenzentrum, Frankfurt/M. / 1996/97 Arbeitsstipendium des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst
Ausstellungen (Auswahl)
2001 Galerie Ute Pardun, Düsseldorf, mit Udo Koch; »Frankfurter Kreuz«, Schirn Kunsthalle Frankfurt (Kat.); »Jahresgaben 2001/ 2002«, Frankfurter Kunstverein, Frankfurt/M. (Kat.) / 2000 »One of those Days«, Mannheimer Kunstverein (Kat.) »Im Garten«, Dörrie & Priess, Hamburg / 1999 Galerie Brigitte Trotha, Frankfurt/M. (E.) / 1998 »Petshop«, Galereie Sies & Höke, Düsseldorf / 1996 »Medien Kunstwerke«, Galerie Stampa, Basel / 1995 Konstantin Adamopoulos, Frankfurt/M. (E.) / 1993 Forum der Fr. Sparkasse, Frankfurt/M. (E., Kat.) / 1992 »Multiple Choice«, Galerie Bob van Orsouw, Zürich

O. T., 1998
Mischtechnik auf Holz 38 x 30 cm