Ottmar Hörl Die provokativen Arbeiten des Frankfurter Konzeptkünstlers erregen in den Medien stets große Aufmerksamkeit, ob er nun mit Gartenzwergen, Mülltonnen, Besen oder Goethebüsten arbeitet. Im Gegensatz zu Künstlern, die nur ein gebildetes Publikum ansprechen, wendet sich Hörl – wie einst programmatisch der große Dubuffet – ausdrücklich an alle, ohne dass man ihm vorwerfen könnte, er sei ein Populist, der seine Maßstäbe nach den Leuten richtet. Hörl möchte verstanden werden. Die in Duchcov ausgestellte Fotoserie »Landscape for sprinters« von 1993 ist nicht – wie bei Hörl oft – auf einen aufklärerischen Effekt hin kalkuliert. Der Künstler hat einen automatisch arbeitenden Fotoapparat an die Radnabe eines Autorads montiert und ist durch ein Waldstück gefahren. Auf diese Weise erhielt er nie gesehene Landschaftsbilder. Er fände es langweilig, sagte er einmal, durch den Sucher eines Fotoapparates zu blicken, denn die entwickelten Fotos zeigten ihm dann immer etwas, das er schon gesehen habe. Hörls Fotos sind in dem Sinne objektiv, als sie – wie jene Fotoarbeiten, bei denen er automatisch arbeitende Kameras von Hochhäusern warf – durch das menschliche Auge nicht ausgewählt worden sind. Dem Künstler geht es stets darum, die künstlerische Einflussnahme soweit wie möglich zurückzunehmen. Beim Fotografieren bestimmt er selbst nur noch den Ort und den Zeitpunkt – dies sind die allgemeinsten Parameter unseres Lebens. Ein Aspekt dieser Objektivierung ist auch, dass stets der ganze Film durchgeknipst und auch unter den Abzügen keine Auswahl getroffen wird. Das Kunstwerk besteht aus allen Abzügen des Films. Nichts wird aussortiert. Die Fotos werden als Serie präsentiert. Dieser auf Objektivierung ausgerichteten Haltung, die künstlerischen Entscheidungen zu minimieren, entspricht, dass Hörl gewöhnlich keine Unikate, sondern Auflageobjekte – multiples – herstellen lässt. So steuert der Künstler zur Kunstproduktion lediglich das Konzept bei. Die Ausführung überlässt er anderen oder Maschinen. Hörl steht damit in der Tradition der 60er Jahre, als viele Künstler sich gegen den aufgeblähten Individualismus der gestischen Malerei auflehnten und sich als gewöhnliche Warenproduzenten verstanden. »Landscape for sprinters« ist eine Serie schnell geschossener Landschaftsausschnitte: was von der Landschaft übrig bleibt, wenn man sich schnell bewegt. Der schnellen Bewegung entspricht der schnelle Blick, der nicht mehr in Muße lässig über Horizonte schweift. Die Geschwindigkeit hat unsere Wahrnehmung tiefgreifend verändert. Wenn man will, ist »Landscape for sprinters» eine kritische Arbeit, doch – wie gute Kunst immer – nicht appellativ. Kritische Schlussfolgerungen bleiben dem nachdenklichen Betrachter überlassen. Burkhard Brunn



  1950 geb. in Nauheim, lebt in Frankfurt am Main und Wertheim (Baden-Württemberg)

1975–79 Hochschule für Bildende Künste, Städelschule Frankfurt/M. / 1979–81 Hochschule für Bildende Künste, Düsseldorf, bei Prof. Klaus Rinke / 1978–81 Stipendium der Deutschen Studienstiftung / 1985 Gründung der Gruppe Formalhaut, mit den Architekten Gabriela Seifert und Götz Stöckmann / 1992–93 Gastprofessur an der TU Graz (mit Formalhaut) / 1994 Förderpreis der Baukunst, Akademie der Künste Berlin (mit Formalhaut) / 1997 art multiple-Preis, Internationaler Kunstmarkt in Düsseldorf / 1998 Wilhelm-Loth-Preis, Darmstadt / seit 1999 Professur für Bildende Kunst an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg


Landscape for sprinters, 1993 Fotografie