Michal Pechoucek »Das Künstlerporträt im digitalen Zeitalter« Es erscheint fast unmöglich, in der heutigen Welt einen Sinn oder eine verständliche Leitidee zu suchen und zu finden. Es ist schwer, den schleichenden Differenzierungsprozessen der sozialen Schichtung nicht zu unterliegen und eine eigene, wenn auch unsichere und verletzliche, Identität aufrecht zu erhalten. Und wirklich vernichtend muss dann das Bedürfnis sein, über die eigenen Zweifel mit Bildern zu erzählen, die sich auf die immer mehr relativierten Traditionen bildender Kunst beziehen. Der junge tschechische Autor Michal Pechoucek hat nun gerade diese nicht einfache Triade als Modell für sein Werk ausgewählt. Auf dieses Ideal bezieht er sich immer, zugleich ist er sich aber dessen Unergründlichkeit bewusst, wie auch einer bestimmten nostalgischen Widersprüchlichkeit.

Die bisher letzte Arbeit von Pechoucek genannt »Sbûratel« (Sammler) kann als programmatische Manifestation seiner künstlerischen Haltung verstanden werden. Es handelt sich um eine Gruppe von 26 Gemälden, die einen fragmentarischen, geheimnisvollen und für den Betrachter fast unverständlichen Inhalt haben. Einzelne Arbeiten repräsentieren Genres traditioneller Malerei (Porträt, Stilleben, Landschaft) und verstecken eine Reihe postmoderner Zitate (Gustave Courbet, Caspar David Friedrich, Vincent van Gogh). Integraler Bestandteil des Werkes ist auch ein Video (etwa 8 Minuten), das die Bilderreihe irgendwo im Atelier des Künstlers zeigt, die für einen imaginären Sammler bestimmt ist. Dabei spielt ein Stück von Bernhard Hermann (des Musikautors zu Alfred Hitchcocks Filmen) die Schlüsselrolle innerhalb der Werkstruktur, das dessen inhaltliche Linie direkt inspiriert hat. Die ganze Arbeit besitzt eine variable Form, da es nach den Anmerkungen von Michal Pechoucek möglich ist, sie »als statische Galerieausstellung, eine hängende Bilderreihe zusammen mit einem Video, nur als Video oder als Serie von Fotoreproduktionen mit Video« auszustellen.

Die mimetische Strategie, die Pechoucek in seinem Werk »Sammler« verfolgt, wächst aus einem ausgeprägten Widerspruch zwischen der Banalität der Erzählung und der reichen ästhetischen Struktur seines notierenden Apparates. Der Autor stellt sein Werk als lineares Kaleidoskop zusammen, legt keinen Akzent auf konkrete Ausschnitte oder bestimmte Bedeutungen, sondern konzentriert sich auf den Verlauf der eigentlichen Kommunikation. Konsequent nutzt er die Form des Filmschnitts aus, indem er statische Einstellungen nebeneinander setzt, die ihre Spannung erst im Aneinanderreihung steigern, in logischer (oder unlogischer) Interaktivität. Die ursprüngliche Auffassung des Bildes zum Aufhängen, das die Beziehung zwischen der Tiefe der vorgegebenen Wirklichkeit und der Fläche ihrer illusionierenden Umsetzung betont, wird mit dem Prozess der dynamischen visuellen Medienrealität konfrontiert.

Irgendwo in der Mitte von »Sammler« (in einer der vielen Einstellungen) können wir ein Philodendronblatt sehen, eingesteckt in einer Bierflasche. Vielleicht konzentriert sich gerade in diesem Detail der Reichtum des ganzen Werks von Michal Pechoucek. Das Wesen seiner Kunstwerke liegt nämlich meistens verborgen in dem, was man nicht ganz verstehen kann. Michal Kolecek



  geb. 1973 in Duchcov, lebt in Prag 1993–99 Akademie der Bildenden Künste, Prag
Ausstellungen (Auswahl)
2003 »Collector«, Moravian Gallery, Brno (E.); »Survey 03«, Futura Gallery, Prague; »Inflexible Clash«, ICA, Dunaújváros, Hungary; »Mission Possible«, Prague Biennale 1, National Gallery, Prague; »Hounted Swings«, College of Art, Edinburgh / 2002 »Restaurant by the Hospital«, City Gallery, Prague (E.); »Fourth Biennial of Young Artists – ZVON 2002«, City Gallery, Prague / 2001 »Icing«, ICA, Dunaújváros, Hungary / 2000 »Life Suits to her.«, Jelení Gallery, Prague (E.); »Überlebenskunst« Neuer Berliner Kunstverein, Berlin

Sammler, 2003
Öl auf Leinwand
105 x 125 cm