Die »Fahnenbilder« und ähnliche Bilder Herbert Warmuths (geb.1960) stellen auf den ersten Blick bewegte Stoffe dar. Die Falten sind täuschend echt gemalt. Auf den zweiten Blick zerfällt diese räumliche Illusion: wo die Farbfelder aneinander stoßen, bleibt die Grenze strikt horizontal oder vertikal, und der Blick landet ernüchtert auf der planen Bildfläche. Seit Cézanne auf einigen Gemälden die Leinwand unbehandelt ließ, existiert der Anspruch, die Bildfläche in der gemalten Raumillusion in Erinnerung zu halten. Die Realität scheint durch die Illusion buchstäblich hindurch. Der Realitätsbezug der Malerei besteht hier gegenüber der traditionellen Guckkastenperspektive darin, dass der Betrachter sich stets bewusst bleibt, in Wirklichkeit vor einer flachen Leinwand zu stehen, wie tief die gemalte Illusion den Blick auch immer ins Bild hineinzieht. Warmuths Arbeit steht in dieser Tradition. Seine Bilder bauen eine Illusion auf und zerstören sie im nächsten Augenblick. Der scheinbar in Falten fallende Stoff – hin und wieder benutzt Warmuth gemusterte Stoffe als Leinwand – erzeugt nicht nur eine Raumillusion, sondern mehr: die Illusion einer erstarrten Bewegung. Bewegung zeigt Leben an, sei es dass die Falten durch Wind entstehen, sei es durch das Körpervolumen oder einfach auf Grund der Schwere des Materials. Die Bewegungsillusion gibt den Bildern Lebendigkeit. Dazu sind Warmuths Farben von altmeisterlicher Delikatesse. Raffiniert sind die neueren Camouflagebilder: der Künstler malt die Muster der tarnfarbenen Abdeckplanen, mit denen das Militär seine Gerätschaften verhüllt. Dabei sind die Bewegungsillusion und deren Zerstörung nicht mehr wie in den Fahnenbildern zeitlich getrennte, sukzessive Wahrnehmungen. Die Illusion kann fast zugleich auch als Zerstörung der Illusion erscheinen und die Zerstörung wiederum als Illusion. An die Stelle des Blickwechsels tritt eher ein Sowohl-als-auch. Diese Wirkung gelingt durch die eigenartigen Muster, die fast zugleich flach und räumlich erscheinen. Zur Illusionsbildung ein Muster der Tarnung zu verwenden, passt ins Konzept. Denn bei der Tarnung geht es umgekehrt darum, Volumen flach zu machen, also – malerisch betrachtet – um das eingangs erwähnte Problem der Kunst. Merkwürdig aber ist es, wenn die Tarnfarben nicht mehr grün und erdig, sondern festlich werden. Das Mimikry der Soldaten und ihrer Ausrüstung besteht ja gewöhnlich in der farblichen Anpassung an den Boden. An welchen Untergrund würden sich dann wohl solch prächtige Tarnfarben anpassen? Und wen oder was würden sie im Krieg so köstlich verhüllen? Ein ziviles Fest? Ein Fest im Krieg? Trotz des Krieges? Gegen den Krieg? Verhüllen? Im Gegenteil, die Tarnfarbe würde zum Indikator von Leben, sie würde es nicht verhüllen, sondern verraten. Bei Warmuth bleibt nichts wie es zunächst scheint.Die »Fahnenbilder« und ähnliche Bilder Herbert Warmuths (geb.1960) stellen auf den ersten Blick bewegte Stoffe dar. Die Falten sind täuschend echt gemalt. Auf den zweiten Blick zerfällt diese räumliche Illusion: wo die Farbfelder aneinander stoßen, bleibt die Grenze strikt horizontal oder vertikal, und der Blick landet ernüchtert auf der planen Bildfläche. Seit Cézanne auf einigen Gemälden die Leinwand unbehandelt ließ, existiert der Anspruch, die Bildfläche in der gemalten Raumillusion in Erinnerung zu halten. Die Realität scheint durch die Illusion buchstäblich hindurch. Der Realitätsbezug der Malerei besteht hier gegenüber der traditionellen Guckkastenperspektive darin, dass der Betrachter sich stets bewusst bleibt, in Wirklichkeit vor einer flachen Leinwand zu stehen, wie tief die gemalte Illusion den Blick auch immer ins Bild hineinzieht. Warmuths Arbeit steht in dieser Tradition. Seine Bilder bauen eine Illusion auf und zerstören sie im nächsten Augenblick. Der scheinbar in Falten fallende Stoff – hin und wieder benutzt Warmuth gemusterte Stoffe als Leinwand – erzeugt nicht nur eine Raumillusion, sondern mehr: die Illusion einer erstarrten Bewegung. Bewegung zeigt Leben an, sei es dass die Falten durch Wind entstehen, sei es durch das Körpervolumen oder einfach auf Grund der Schwere des Materials. Die Bewegungsillusion gibt den Bildern Lebendigkeit. Dazu sind Warmuths Farben von altmeisterlicher Delikatesse. Raffiniert sind die neueren Camouflagebilder: der Künstler malt die Muster der tarnfarbenen Abdeckplanen, mit denen das Militär seine Gerätschaften verhüllt. Dabei sind die Bewegungsillusion und deren Zerstörung nicht mehr wie in den Fahnenbildern zeitlich getrennte, sukzessive Wahrnehmungen. Die Illusion kann fast zugleich auch als Zerstörung der Illusion erscheinen und die Zerstörung wiederum als Illusion. An die Stelle des Blickwechsels tritt eher ein Sowohl-als-auch. Diese Wirkung gelingt durch die eigenartigen Muster, die fast zugleich flach und räumlich erscheinen. Zur Illusionsbildung ein Muster der Tarnung zu verwenden, passt ins Konzept. Denn bei der Tarnung geht es umgekehrt darum, Volumen flach zu machen, also – malerisch betrachtet – um das eingangs erwähnte Problem der Kunst. Merkwürdig aber ist es, wenn die Tarnfarben nicht mehr grün und erdig, sondern festlich werden. Das Mimikry der Soldaten und ihrer Ausrüstung besteht ja gewöhnlich in der farblichen Anpassung an den Boden. An welchen Untergrund würden sich dann wohl solch prächtige Tarnfarben anpassen? Und wen oder was würden sie im Krieg so köstlich verhüllen? Ein ziviles Fest? Ein Fest im Krieg? Trotz des Krieges? Gegen den Krieg? Verhüllen? Im Gegenteil, die Tarnfarbe würde zum Indikator von Leben, sie würde es nicht verhüllen, sondern verraten. Bei Warmuth bleibt nichts wie es zunächst scheint. Burkhard Brunn



  1960 in Schweinfurt geboren, lebt in Frankfurt am Main /
1982–88 Studium an der Städelschule in Frankfurt/M. / 1994-95 Arbeitsstipendium des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft u. Kunst / 1995-96 Parisstipendium der Hessischen Kulturstiftung

Ausstellungen (Auswahl)
2003 »Wandmalereien«, Institut für Pharmakologie, Ausstellung und Kunst am Bau, Giessen; »MAKE IT NEW!«, Ausstellungsreihe des Portikus in Kooperation mit der Dresdner Kleinort Wasserstein, Frankfurt/M.; »Flüchtige Verfestigung«, Hessischer Rundfunk, Frankfurt/M. / 2002 Konstantin Adamopoulos, Frankfurt/M.; »Frankfurter Kreuz«, Schirn, Frankfurt / 2001 »Haut«, Galerie Thomas Rehbein, Köln (mit Hans Hemmert) / 1995 »Juxtaposed«, Museum Kruithuis (mit E. Rawls), s’Hertogenbosch (NL) / 1994 Förderkoje auf der Art Cologne bei der Galerie Schütz, Frankfurt/M. / 1993 Dresdner Bank AG (mit Neo Rauch), Frankfurt/M. / 1990 Forum Stadtsparkasse, Frankfurt/M.

Spanien, 2001 Mischtechnik auf Aluminium
200 x 100 cm