Das Staatliche Schloss Duchcov hat zehn deutsche Künstler eingeladen, ihre Arbeiten in der Galerie »Casanova« zu zeigen. Außerdem wird ein junger tschechischer Künstler teilnehmen, dessen Arbeit auf der diesjährigen »Prague Biennale 1« aufgefallen ist. Es handelt sich dabei um den Versuch, zwischen Deutschland und Tschechien in aller Bescheidenheit eine kulturelle Brücke zu schlagen.
Duchcov, das ehemalige Dux, liegt etwa in der Mitte zwischen Dresden und Prag unweit der Autobahn. Das gut erhaltene, von einem Park umgebene Schloss, wo Giacomo Casanova dreizehn Jahre lang an seinen weltberühmten Lebenserinnerungen arbeitete und am 4. Juni 1798 starb, ist auf Grund seiner verkehrsgünstigen Lage, seiner großzügigen Räumlichkeiten, seiner schönen Umgebung und seiner Verbundenheit mit dem Namen Casanova als Ort kultureller Veranstaltungen besonders geeignet. Teplice, der alte Badeort Töplitz, wo die große Welt des 18. und 19. Jahrhunderts kurte, liegt nur zehn Kilometer entfernt.
Auf Grund der unterschiedlichen gesellschaftlichen Entwicklung ist die ungegenständliche und konzeptuelle Kunst des Westens außerhalb von Prag in Tschechien noch wenig bekannt. Daher wird nicht eine Richtung präsentiert, sondern Vielfalt. Alle zehn deutschen Künstler, von denen sieben an der renommierten Städelschule, der Frankfurter Hochschule für bildende Künste, studiert haben, gehören der um 1960 geborenen mittleren Künstlergeneration an. Ihre Ansätze sind sehr unterschiedlich, beziehen sich aber alle auf zentrale Fragen der Kunst.

Die »Fahnenbilder« und Camouflagebilder von Herbert Warmuth (geb. 1960) behandeln das Problem von gemalter Bewegungsillusion und Realität der planen Bildfläche Farbiger Stoff oder verstofflichte Farbe bilden die weichen Plastiken (Kleidungsstücke mit farbig verschlossenen Öffnungen) von Andreas Exner (geb. 1962). Die Farbstreifenbilder von Steffi Hartel (geb. 1956) interagieren mit der Außenwelt über changierende Goldstreifen Die Landschaftsfotos von Ottmar Hörl (geb. 1950) sind durch eine an einer Radnabe befestigte automatische Kamera entstanden. Sie objektivieren den künstlerischen Schaffensprozess und thematisieren Geschwindigkeit als Parameter moderner Wahrnehmung. Die Augenzeichnungen von Jochem Hendricks (geb. 1959) thematisieren die produktive Potenz der Wahrnehmung und die Emanzipation von der zeichnenden Hand. Die Ensembles verschlossener Vasen von Dieter Froelich (geb. 1959) sind variable Skulpturen mit der auratischen Anmutung eines gemalten Stilllebens Die Landschaftsbilder von Sid Gastl (geb. 1955) zeigen aus einer Helikopter-Perspektive eine unheimliche, menschenleere nächtliche Welt voller versteckter Gefahren. Die abstrakten Schriftbilder von Axel Malik (geb. 1953) sind Spuren einer vorbewussten Schreibbewegung, die einem biologischen Impuls folgt. Die Blumenzeichnungen von Antje Schiffers (geb. 1967) und die Kommentare der mexikanischen Indios über die Wirkungen der Pflanzen sind das Ergebnis einer Zusammenarbeit. Ein ethnologisches Projekt mit den Mitteln der Kunst. Das Feuerwerk der Pyrotechnikerin Sandra Kranich (geb. 1971) setzt ihre explosiven Zeichnungen in den Raum um. Der tschechische Künstler Michal Pechoucek (geb. 1973) malt Bilder, die er in der Videoarbeit »Sammler« kaleidoskopisch oder linear aneinander reiht: eine Reverenz des Malers an den Film und eine Instrumentalisierung der Videotechnik für die Malerei.

Alle diese Konzepte stehen in einer oft langen Tradition künstlerischer Problembearbeitung, ohne den Bezug zur Alltagswelt zu verlieren. Dieser ist oft subtil, aber stets vorhanden. Die zu Grunde liegenden Konzepte sind erkennbar. Darum kann man über diese Kunst mehr oder weniger vernünftig reden. Das unterscheidet sie von Positionen, wo es eher darum geht, Gefühlen Ausdruck zu verleihen oder sich rationaler Interpretation programmatisch zu entziehen. Das traditionsbezogene Problembewusstsein verleiht den Arbeiten der in Duchcov präsentierten Künstler eine Solidität, die sie von Modetrends und ihren auf den Effekt hin kalkulierten Produkten unterscheidet. Kunst sollte nach meiner Ansicht nicht zeigen, was sie auch kann, sondern das, was nur sie allein vermag. Die ausgestellten Arbeiten tragen weder politische noch moralische Botschaften. Sie drücken keine kunstexternen Absichten aus, sondern handeln von der zentralen Frage der bildenden Kunst: es geht um die Art unserer Wahrnehmung. Nichts ist so wie es scheint.

Die u.a. von SIEMENS Prag und der Stadt Frankfurt am Main geförderte Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft des deutschen Botschafters in Prag und des Honorarkonsuls der Tschechischen Republik für Hessen. Gezeigt wird avancierte Gegenwartskunst. Die meisten der Künstler haben ihren Abschluss an einer Kunsthochschule gemacht, einige sind Meisterschüler, einige bekleiden eine Professur. »Buon giorno, Casanova!«, der Titel der Ausstellung, ist eine Reverenz an den genius loci, nicht an den Abenteurer Giacomo Casanova, sondern an den großen Schriftsteller vor Ort. Einen inhaltlichen Bezug zu Casanova haben die ausgestellten Arbeiten nicht. Die Ausstellung soll der Anfang einer Reihe weiterer Veranstaltungen sein, die geeignet sind, das kulturelle Renommée des durch Casanova bekannt gewordenen »Duchcov« zu festigen und zu verbreiten. Dr. Burkhard Brunn, Kurator der Ausstellung